Den Großteil meiner Teenie-Jahre litt ich unter starker Akne im ganzen Gesicht – die aggressive, knallrote Form von Pickeln, die meine Gefühle zu meiner Haut ganz gut versinnbildlichten. Obwohl mir der nette Teil meines Umfelds immer wieder gut zuredete, meine Akne sei ja „gar nicht so schlimm“ oder „kein großes Drama“, war sie es für mich eben doch. Und je mehr mir diese Leute das Gefühl gaben, meine Akne sei nur ein oberflächliches Problem, desto unsicherer und unglücklicher wurde ich und zog mich immer weiter zurück. Irgendwann kam ich auf die Oberschule und merkte, dass Jungs ja doch gar nicht so eklig waren; ein paar Jahre später fing ich an, mir Gedanken über eine Karriere und ein Studium zu machen. Es war viel los damals. Und trotzdem kann ich mich aus dieser Zeit vor allem daran erinnern, wie besessen ich von meiner Akne war. Ich saß stundenlang in dermatologischen Praxen rum und blätterte Hunderte Euros für Hautpflegeprodukte hin. Nichts schien zu funktionieren. Es war, als erlaubte sich das Schicksal einen brutalen Witz mit mir.
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Als ich jünger war, wollte ich unbedingt hübsch sein. Ich wünschte mir den Charme und das Lächeln von Popstars à la Britney Spears und den Sexappeal von Hollister-Models in superkurzen Tops und ausgefransten Jeans-Miniröcken, die mit shirtlosen Surfer-Bros am Strand rumhingen. Stattdessen hatte ich das Gefühl, dass mir meine Akne dabei im Weg stand, mein bestes Leben zu leben. Mit dem Dating fing ich erst im Studium an, weil ich mein Aussehen hasste und davon ausging, dass mich eh kein Typ ansatzweise attraktiv finden würde. Ich wäre gerne Cheerleaderin geworden, versuchte es aber nicht mal, weil ich glaubte, nicht hübsch genug zu sein. (Außerdem hatte ich ein bisschen Angst davor, mir dabei sämtliche Knochen zu brechen.) „Viele Studien haben belegt, dass sich die Akne enorm auf das Selbstwertgefühl auswirkt, Depressionen und Angststörungen verursachen und dafür sorgen kann, dass sich Betroffene insgesamt aus dem Leben zurückziehen“, erzählt mir die Psychiaterin und Dermatologin Dr. Amy Wechsler, Autorin von The Mind-Beauty Connection. „Ich habe Patient:innen, die mir nicht mal in die Augen schauen. Alles an ihrer Körpersprache kommuniziert ganz klar: ‚Ich fühle mich nicht wohl [in meiner Haut].‘“
Ich selbst hatte das Glück, eine kleine, aber tolle Gruppe aus Freund:innen zu haben (mit einigen von ihnen bin ich bis heute befreundet), die mir immer das Gefühl gaben, mich zu sehen – nicht meine Haut. Und obwohl ich vergleichsweise wenige solcher Erinnerungen habe, bin ich trotzdem dankbar für die Treffen mit Frappuccinos und Pommes, bei denen wir uns über unsere großen Hoffnungen und Wünsche unterhielten. „Wenn ich die Haut meiner Patient:innen verbessere, stehen sie plötzlich viel gerader, halten Augenkontakt, lachen, probieren Neues aus, bewerben sich für Jobs, fangen an zu studieren, vereinbaren Dates, treiben Sport und treffen sich mit Leuten“, erzählt Dr. Wechsler.
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Ich habe Patient:innen, die mir nicht mal in die Augen schauen. Alles an ihrer Körpersprache kommuniziert ganz klar: ‚Ich fühle mich nicht wohl [in meiner Haut].‘
Dr. Amy wechsler
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Bevor ich selbst meinen Traum in die Tat umsetzte, Beauty-Redakteurin zu werden, war ich begeistert von Modefotografie. Ich stand total auf Magazin-Editorials, und zu Schulzeiten sah man mich nie ohne meine kleine Sony-Digitalkamera. Ich war dauernd dabei, meine Freund:innen in der Schule oder im Shoppingcenter zu knipsen. Und obwohl ich daher Hunderte, wenn nicht sogar Tausende von Fotos von damals habe, bin ich selbst auf nur ganz wenigen davon zu sehen. Wegen meiner Akne machte ich einen großen Bogen um Kameras, weil ich absolut nicht verewigen wollte, wie schlimm meine Haut aussah. Heute bedauere ich nicht viel – aber sehr wohl, dass ich nicht mehr Fotos von mir von damals habe.
Als Teenagerin schaute ich mir dauernd YouTube-Beauty-Tutorials von Michelle Phan und juicystar07 an. Wenn ich versuchte, ihre Looks nachzuschminken, brach ich dabei manchmal in Tränen aus. Ich liebte Beauty, hatte aber nicht den Eindruck, dass die Beauty-Branche das Gefühl erwiderte. Während meine Freund:innen und die beliebtesten Mädchen aus der Schule Spaß daran hatten, mit (zu viel) Eyeliner, Bronzer und Lipgloss rumzuexperimentieren, hatte ich das Gefühl, wegen meiner alles andere als makellosen Haut aus der Make-up-Welt ausgeschlossen zu sein. Alles, was ich sah, wenn ich auch nur einen Hauch Lidschatten trug, war meine unebene, pickelige Haut, die eher einer Gebirgskette als dem porenlosen Teint eines Models ähnelte.
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Ich liebte Beauty, hatte aber nicht den Eindruck, dass die Beauty-Branche das Gefühl erwiderte.
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Ich bin inzwischen 28 Jahre alt, und meine Haut hat sich seit meiner Teenie-Zeit enorm beruhigt. Trotzdem habe ich immer noch durchgehend hier und da ein paar Pickel und Unebenheiten. Früher bezeichnete ich seltene pickelfreie Tage als „good skin days“; heute versuche ich, die Vorstellung von „guter“ oder gar „perfekter“ Haut komplett aus meinem Hirn zu verbannen. So ganz habe ich das noch nicht geschafft, und an manchen Tagen bin ich immer noch sehr traurig wegen meiner Haut. Trotzdem bin ich dankbar dafür, durch Bewältigungsmethoden wie Therapie und Tagebuchschreiben – und dringend nötige Veränderungen darin, wie Beauty-Brands über Akne sprechen – mit meiner Haut heute viel sanfter und liebevoller umgehe als früher. Selbst wenn meine Haut nicht wie das „Nachher“-Bild irgendeiner Beauty-Werbekampagne der 2000er aussieht, hängt davon heute zumindest nicht mehr der Zustand meiner geistigen Gesundheit ab.
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