Ob du dich nun als Skincare-Enthusiast:in, -Anfänger:in oder irgendwas dazwischen bezeichnest: Vermutlich hast auch du dich irgendwann schon mal zu mindestens einem viralen Hautpflege-Trend hinreißen lassen. Glücklicherweise sind viele von ihnen inzwischen so absurd, dass es manchmal leicht fällt, dem Reiz zu widerstehen; wenn du es im vergangenen Jahr geschafft hast, „Slugging“, Gesichts-Taping oder DIY-Peelings zu umgehen, hast du dir damit vermutlich einen Gefallen getan. Aber obwohl du um einige dieser dubiosen „Hacks“ vielleicht bewusst einen Bogen machst, haben sich womöglich trotzdem ein paar Fehler in deine Hautpflege-Routine eingeschlichen, ohne dass du es weißt.
Von Übereinanderschichten verschiedener Produkte bis hin zum täglichen Peeling: Manche unserer Routinen sind so tief in unseren Skincare-Ritualen verwurzelt, dass es uns schwer fällt, uns ein Leben ohne sie vorzustellen. Das merken auch die Expert:innen: Hautärzt:innen und Kosmetiker:innen sehen täglich zahlreiche Menschen, die offensichtlich zu viel machen – oder zu oft. Langfristig kann sich das sogar negativ auf deine Haut auswirken.
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In seinem „Life After Lockdown: The Skincare Trends“-Report hat L’Oréal verraten, dass die Online-Debatte rund um Hautprobleme seit Beginn der Pandemie um 71 Prozent aktiver ist. Ein Abschnitt dieses Berichts widmete sich unserer Tendenz zum „Zu viel des Guten“ – ob nun hinsichtlich zu vieler verwendeter Wirkstoffe oder der falschen für den jeweiligen Hauttyp. Auch die Dermatologin Dr. Emma Wedgeworth hat schon offen über die Auswirkungen der sozialen Medien auf unsere Beziehung zu unserer Haut gesprochen, insbesondere in Form fragwürdiger Hautpflege-Ratschläge und absurder Beauty-Trends, die vor allem seit Corona unsere Feeds auf Instagram, TikTok und Co. fluten.
Unsere Liebe für solche Trends in den letzten Jahren ergibt durchaus Sinn; schließlich schlagen wir uns seit der Beginn nicht bloß mit Maskne herum (durch Gesichtsmasken verursachte Hautunreinheiten), sondern auch mit Stress, Angst und Krankheit, was sich wiederum in unserem Hautbild zeigen kann. Und natürlich erlebte auch die DIY-Kultur während Corona einen riesigen Aufschwung; davor blieb auch die Beauty-Branche nicht verschont. Dr. Wedgeworth meint jedoch, dass das blinde Befolgen von Social-Media-Skincare-Trends uns vermutlich mehr schadet als hilft. „Jede Haut ist anders, und der Schlüssel zu einem tollen Teint ist es, deine Hautpflege an deine individuellen Bedürfnisse anzupassen.“
So weit, so gut – aber wo sollst du da am besten anfangen? Wir haben ein paar Expertinnen gefragt, und sie haben uns verraten, welche zunehmend beliebten Skincare-Gewohnheiten du dir nicht bloß sparen kannst, sondern deiner Haut sogar schaden könnten.
Du suchst Rat in Skincare-Foren und -Gruppen
Die Dermatologin Dr. Anjali Mahto bemerkt in ihrer Klinik aktuell einen neuen Trend: „Mir fällt auf, dass sich viele Patient:innen für Hautpflege-Tipps auf Facebook-Gruppen und Online-Foren verlassen“, sagt sie. Dr. Mahto versteht zwar das Gemeinschaftsgefühl, das diese Gruppen bewirken können, meint aber, dass die dort verteilten Ratschläge oft ungenau, manchmal sogar schädlich sein können. „Alleine in dieser Woche hatte ich zwei Patient:innen, die sich Rat in einer Facebook-Gruppe geholt haben und dann mit Ausschlägen und perioraler Dermatitis [Hautreizungen rund um den Mund] bei mir landeten“, erklärt sie. Dabei hatten beide Patient:innen eigentlich gar keine konkreten Hautprobleme behandeln wollen. „Das war eher ein Fall von Beauty-FOMO: Sie wollten keine Produkte ‚verpassen‘.“ Diese Angst, etwas zu verpassen, ist nachvollziehbar. Jeden Tag kommen neue Seren und Cremes auf den Markt, die allesamt beeindruckende Resultate versprechen. Dazu kommen noch unzählige Influencer- und Expert:innen-Reviews auf Instagram und Co. – kein Wunder, dass wir uns so oft dazu hinreißen lassen, unser Geld für immer neue Beauty-Produkte auszugeben. Dabei sind sich die Expert:innen darin einig, dass niemand all diese Produkte wirklich braucht.
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Wenn du gerne herumexperimentierst, lohnt es sich auf jeden Fall, immer nur ein Produkt gleichzeitig in deine Routine einzubauen, anstatt regelmäßig dein komplettes Skincare-Ritual über den Haufen zu werfen oder jemandes Routine zu kopieren. Und in Sachen Ratschläge suchst du dir besser professionelle Hilfe, anstatt dich auf Instagram- oder TikTok-„Expert:innen“ zu verlassen. „Langfristig lohnt es sich mehr, mit einem Hautarzt oder einer Hautärztin zu sprechen“, meint Dr. Mahto. Notfalls tut es auch dein Hausarzt oder deine Hausärztin. „Er:sie kann im Idealfall deine eventuellen Hautprobleme korrekt diagnostizieren und dir die richtige Behandlung empfehlen“, sagt sie.
Du kombinierst mehrere Produkte miteinander
Dr. Mahto zufolge haben sich einige ihrer Patient:innen online Tipps von mehrerenLeuten dazu geholt, welche aktiven Wirkstoffe sie verwenden sollten (zum Beispiel Vitamin C und Retinol), und wie sich diese in einer Routine miteinander kombinieren ließen. Das führte jedoch zu einigen Risiken. Kurz gesagt, erklärt Dr. Mahto, kann eine übertriebene Hautpflege diverse Hautprobleme auslösen – von Akne bis hin zu Ekzemen. Davor warnt auch die Ästhetikerin Dr. Parisha Acharya, vor allem, wenn angesagte Skincare-Produkte vermischt oder übereinander aufgetragen werden. Eine dieser Kombinationen ist die aus peelenden Säuren (wie Glykol-, Milch- oder Salicylsäure) und Retinol. „Säuren und Retinol sind toll, eignen sich aber nicht für jeden Hauttyp“, betont Dr. Acharya. Noch dazu sollten sie nicht zusammen verwendet werden. „Solche Wirkstoffe zu kombinieren, kann deine Hautschutzbarriere enorm beeinträchtigen. Das führt dann zu empfindlicher Haut, Rötungen, Trockenheit, Hautschuppung und Irritationen.“ Für gesunde Haut solltest du es langsam angehen lassen. „Verwende die Wirkstoffe an verschiedenen Tagen“, meint Dr. Acharya, „und lass deiner Haut auch dann und wann mal eine Pause, damit sie nicht dauernd mit starken, aktiven Wirkstoffen bombardiert wird.“
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Dr. Wedgeworth erklärt, dass peelende Säuren zwar sehr nützlich für fettige Haut sein können, aber vermieden werden sollten, wenn deine Haut eher empfindlich ist oder zu Rötungen neigt. „Auch Retinoide sind riskant“, ergänzt sie. „Viele Leute sind so erpicht darauf, die damit verbundene Reduzierung von Zeichen der Hautalterung zu erzielen, dass sie die Produkte zu enthusiastisch verwenden.“ Wenn du es übertreibst (indem du das Retinol beispielsweise jede Nacht aufträgst), kann das dazu führen, dass sich deine Haut schält, rötet und generell unangenehm und wund anfühlt. „Für die besten Ergebnisse solltest du langsam mit einem niedrig konzentrierten Retinol [zum Beispiel 0,2 Prozent] anfangen und dich dann langsam steigern“, ergänzt Dr. Wedgeworth. Außerdem ist es wichtig, dass du dann tagsüber einen Sonnenschutz mit hohem Lichtschutzfaktor trägst, weil peelende Säuren und Retinol die Haut anfälliger für Sonnenlicht machen können.
Deine Skincare-Routine hat (zu) viele Schritte
Obwohl die Profis schon lange davon abraten, sind Hautpflege-Routinen mit vielen Schritten und Produkten insbesondere auf TikTok und Instagram immer noch sehr beliebt. Reinigung, Toner, Serum, Moisturizer – Routinen wie diese werden uns in den sozialen Medien weiterhin angepriesen, bei denen fünf bis sogar zehn verschiedene Produkte zum Einsatz kommen. Laut der Ästhetikerin Alicia Lartey muss deine persönliche Routine aber nicht so-und-so-viele Schritte haben, um dir zu helfen. „Das Wichtigste ist, dass du eine Routine findest, die für dich funktioniert“, erzählt sie. „Meiner Meinung nach solltest du dich dazu nie an Skincare-Trends orientieren. Ich empfehle, ausschließlich das zu tun, was zu deinem Hauttyp passt.“ Wenn dir eine kurze Gesichtswäsche und ein bisschen Moisturizer reichen, ist das super.
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Du schwörst auf tägliches Double Cleansing
Ein weiterer Trend, der inzwischen von immer mehr Promi-Beauty-Expert:innen wie Joanna Czech (zu deren Kund:innen unter anderem Bella Hadid und Kim Kardashian gehören) und Jasmina Vico (die für Jodie Comers strahlenden Teint verantwortlich ist) infrage gestellt wird, ist das Double Cleansing. Dabei wird die Haut zweimal gereinigt, um sie „besonders sauber“ zu machen. Davon profitieren vor allem fettige Hauttypen und/oder diejenigen, die jeden Tag Foundation und Sonnenschutz tragen, weil diese Praxis das Verstopfen der Poren verhindern soll. Obwohl Dr. Acharya meint, dass die Methode tatsächlich die Reinigung verbessern und die Hautoberfläche besser auf die daraufhin aufgetragen Produkte vorbereiten kann, muss und sollte sich nicht jede:r das Gesicht zweimal waschen. „Es ist nicht nötig, die Haut übermäßig zu reinigen“, meitn Dr. Wedgeworth, „weil dadurch die Hautschutzbarriere beschädigt werden könnte.“ Das Ergebnis ist angegriffene Haut, die schnell austrocknet und sich empfindlich anfühlt. Dr. Wedgeworth erklärt, dass ein einziger Waschdurchgang oft völlig ausreicht, vor allem, wenn deine Haut nicht sonderlich fettig ist.
„Der Haken daran: Jede Haut ist anders“, ergänzt Dr. Acharya, die empfiehlt, in einen sanften Cleanser zu investieren, um Reizungen und Entzündungen vorzubeugen. Expert:innen sind sich auf jeden Fall darin einig, dass das Double Cleansing zumindest morgens nicht nötig ist (es sei denn, du bist mit Make-up ins Bett gegangen). Wenn du das Gefühl hast, dass dir ein Spritzer Wasser, gefolgt von Moisturizer und/oder Sonnenschutz ausreichen, gibt es keinen Grund dafür, weitere Schritte einzubauen.
Du gibst Geld für „Neuheiten“ aus
Von Skincare-Kühlschränken bis hin zu Peel-off-Masken: Beauty-Marken haben ein Talent dafür, uns dazu zu überreden, unser hart verdientes Geld für Zeug auszugeben, das wir gar nicht wirklich brauchen. In ihrer Klinik bemerkt Alicia, dass sich immer mehr Leute diverse „Tools“ zulegen, um ihre Hautpflege zu optimieren; eines dieser Werkzeuge fällt ihr dabei in letzter Zeit besonders oft auf. „Viele legen sich einen Facial Steamer, also ein Gerät für ein Gesichts-Dampfbad zu“, erzählt sie. Gerade auf TikTok ist das zum Trend geworden. Aber brauchst du so ein Ding wirklich? Absolut nicht, sagt Alicia. „Das ist unnötig und kann der Haut sogar schaden“, betont sie. „Dampfbäder kommen in manchen Kosmetikstudios und -kliniken zum Einsatz, um die Haut ‚aufzuwärmen‘ und die Entfernung von Talg und Schmutz aus den Poren zu erleichtern. Bei trockener Haut würde ich das aber vermeiden, weil es die Haut zusätzlich austrocknen oder langfristig sogar für andere Hautprobleme sorgen könnte.“ Dr. Acharya führt außerdem elektrische Reinigungsgeräte und Porenreinigungs-Tools als Beauty-Schwindeleien an.
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Das Ganze beschränkt sich aber nicht nur auf Geräte für das Gesicht. In Dermatologie-Kliniken werden auch Öle immer mehr zum Problem; das bestätigt auch der L’Oréal-Bericht, in dem die Dermatologin Dr. Uliana Gout schreibt, sie habe aufgrund von Gesichtsölen im letzten Jahr „deutlich mehr verstopfte oder erweiterte Poren, Pickel und Hautreizungen“ behandeln müssen. Eine kurze TikTok-Suche nach „Skincare-Hacks“ bestätigt den wachsenden Trend zum Öl, verglichen mit Moisturizern und Seren. In einem der Top-Videos preist eine Beauty-Influencerin das Öl für „richtig gute Haut“ an.
Auch weil sie sich so luxuriös anfühlen, sind Gesichtsöle gerade absolut im Trend, bestätigt Dr. Acharya. Sie warnt allerdings davor, dass sie sich womöglich nicht für fettige oder unreine Haut eignen; dasselbe gilt für Rosacea. Diese Öle können für Entzündungen und verstopfte Poren sorgen, betont auch Dr. Gout, insbesondere, wenn sie Duftstoffe enthalten. „Um diesen Skincare-Trend würde ich einen Bogen machen“, sagt Dr. Acharya. Dr. Wedgeworth sieht das ähnlich. „Ich finde nicht, dass die Haut von diesem Öl profitiert“, meint sie. „Es kann die Poren verstopfen und Pickel auslösen. Gleichzeitig spendet es nicht so gut Feuchtigkeit wie ein guter Moisturizer.“
Das Fazit unserer Expertinnen: Jede Haut ist absolut einzigartig. Es ist leicht, sich von Trends, Hacks und neuen Produkten mitreißen zu lassen – doch solltest du dabei bedenken, dass sich nicht alles für alle eignet. Vor allem solltest du nicht jeden Trend in einer Routine miteinander kombinieren. Trotz all dessen, was uns TikTok und Co. glaubhaft machen wollen, gilt in Sachen Hautpflege vor allem ein Motto: Weniger ist manchmal eben doch mehr.
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