Betrete ich zum ersten Mal die Wohnung einer Freundin, freue ich mich am meisten darauf, den Inhalt ihres Badezimmerschränkchens auszuchecken. Was sie wohl für Produkte benutzt? 100-prozentige Überschneidungen mit meiner eigenen Beauty-Routine gibt es eher selten – dafür ist die Auswahl in den Drogerien, Kaufhäusern, Parfümerien und Online einfach zu groß. Was sich aber deckt sind die Produktgruppen: Tages- und Nachtcreme, Augenpflege, eine Art Serum und Bodylotion sind so die ungefähren, täglichen Basics. Obwohl, ich muss mich korrigieren. Zwar steht eine wohl duftende Körperpflege bei mir im Bad, einmassiert wird diese aber nur noch zu besonderen Anlässen. Mich jeden Morgen nach dem Duschen einzucremen habe ich mir und meiner Haut im vergangenen Herbst abtrainiert.
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Mich jeden Morgen nach dem Duschen einzucremen habe ich mir und meiner Haut im vergangenen Herbst abtrainiert.
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Ja, im Winter, und ja, zum Saisonwechsel. Dann, wenn man beginnt, die Heizung wieder anzumachen. Aber eben auch dann, wenn aus nackten Beinen in kurzen Röcken, wieder in Jeans gehüllte werden. Meine No-Lotion-Idee kam mir wegen zweierlei Faktoren: 1. Ich konnte das Gefühl, frisch mit Moisturizer behandelte Beine in eine schwarze Skinnypants zu stecken einfach nicht mehr ertragen. 2. Niemand außer mir würde meine Beine zu Gesicht bekommen. Und das für mehrere Monate. Ob die dann trocken sind oder peng, dachte ich und startete mein Ban-Bodylotion-Bootcamp. In zahlreichen Artikeln, die ich zu diesem Thema las, beteuerten Dermatolog*innen, dass sich die Haut von selbst mit ausreichend Feuchtigkeit versorgen kann, wenn man sie denn lässt. Als nach einigen Wochen auch die letzten Krusten verschwanden und endlich dieses unangenehme Spannungsgefühl nachließ, war ich überzeugt und schwöre seitdem auf diese Methode.
No Lotion – am Körper ja, aber im Gesicht? Undenkbar!
Und da bin ich nicht die einzige: Auch der Dermatologe Dr. Zein Obagi, meint, man solle die Finger ganz von Cremes lassen – auch und vor allem im Gesicht! Die Benutzung von Cremes sei nicht nur absolute Zeitverschwendung, sondern sogar schädlich für die Haut, so Dr. Obagi im Gespräch mit unseren amerikanischen Kolleg*innen von Refinery29. Schädlich? „Benutzt man täglich eine Pflege, läuft man Gefahr, zur Alterung der Haut beizutragen“, warnt er weiter. Also nichts mit Anti-Aging? „Trägt man eine Menge Creme auf, macht das die Haut an sich nur trockener und empfindlicher. Der entschiedenste Faktor ist jedoch, dass das Cremen den natürlichen Wasserhaushalt der Haut stört.“
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Das will ich jetzt aber genauer wissen. Dr. Obagis Theorie ist, dass die Haut buchstäblich „süchtig“ nach der extern zugeführten Feuchtigkeit wird – dadurch höre sie auf, den Körper und das Gesicht von innen heraus mit eigener zu versorgen, so der Dermatologe. Gut, das macht Sinn aber ist es nicht egal, wo die Feuchtigkeit herkommt, Hauptsache sie ist da? Nein, so Dr. Obagi weiter, denn die natürliche Hydration sei es, die die Haut jung und gesund halte. „Ähnlich wie bei einem Baum, der alle nötigen Nährstoffe aus dem Boden bekommt: Würde dieser natürliche Kreislauf aus irgendeinem Grund aufhören, trocknet der Baum aus – egal wie viel man ihn von Hand gießt,“ erklärt der Experte.
„Cremesüchtige Haut muss in den Entzug!“
Wenn man es so sieht, leuchtet seine Theorie schon ein. Besonders wenn ich bedenke, wie gut es bei meinem Körper geklappt hat, den natürlichen Wasserhaushalt wieder herzustellen. Nur einen gravierenden Unterschied sehe ich beim Gesicht und dem Rest des Körpers trotzdem: Täglich reinigt man das Gesicht mit Cleansern, Peelings, Mizellenwasser oder Waschgel und nach diesen Schritten spannt es viel mehr, als es der Körper nach dem Duschen jemals tun könnte. Danach muss einfach eine ordentliche Portion H2O her!
Also haben wir eine weitere Dermatologin zu Dr. Obagis Theorie befragt. Dr. Doris Day aus New York City relativiert diese zwar, lehnt sie aber nicht gänzlich ab: „Nicht jeder Hauttyp ist in der Lage, ohne externe Zufuhr die ganze Pflegearbeit zu übernehmen, aber es stimmt schon: Einige Menschen müssen sich nicht täglich eincremen, besonders ölige Typen.“ Ihr Tipp ist, auf seine eigene Haut zu hören, den Cremedeckel zum Test auch mal verschlossen zu lassen, das anfängliche Spannungsgefühl auszuhalten und allgemein zu versuchen, mit weniger Produkten auszukommen. Machen sich trotzdem direkt trockene Stellen bemerkbar, kann man immer noch ein wenig nachcremen. Wer Dr. Obagis Weg testen möchte, sollte Durchhaltevermögen mitbringen und der neuen Null-Routine drei bis sechs Wochen Zeit geben – erst dann sei die Haut wieder „nüchtern“ und darf ab dann gelegentlich aus der Creme-Rehab auschecken.
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