Ein großer Teil meines Jobs als Beauty-Redakteurin besteht darin, mit Promis und Influencer:innen über Kosmetik, Skincare und Co. zu reden. Weil wir alle immer mehr von reiner, strahlender Haut besessen sind, kommen wir dabei zwangsläufig irgendwann auf die täglichen Routinen zu sprechen, von denen wir uns den perfekten Teint versprechen. Die meisten meiner Interviewpartner:innen verlassen sich dafür auf teure LED-Behandlungen oder intensive chemische Peelings – aber eine Regel befolgen sie fast alle: Unabhängig von ihrem Hauttyp oder Lifestyle verzichten sie der schönen Haut zuliebe auf Milchprodukte.
Das wird auch von Jahr zu Jahr leichter: Durch den Veganismus-Boom und ein verstärktes Umweltbewusstsein gibt es immer mehr Milch-, Käse- und Joghurtalternativen. Irgendwann im Laufe dieses Trends haben wir aber damit angefangen, Milchprodukte in Hinsicht auf die Haut zu verteufeln; angeblich sollen sie Pickel verursachen, die Haut fettig machen und sogar Hauterkrankungen wie Akne verschlimmern. Was jedoch die wenigsten Milch-Kritiker:innen wissen: Nicht viele Dermatolog:innen, Ernährungsberater:innen oder -wissenschaftler:innen würden diesen Gerüchten überhaupt zustimmen. Tatsächlich verbringt der Großteil von ihnen viel Zeit damit, ihren Kund:innen und Patient:innen diesen Mythos auszureden. Interessanterweise vermuten einige Expert:innen jetzt sogar, dass die Milchalternativen für die Haut womöglich schlechter sein könnten als die tatsächlichen Milchprodukte.
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Wirken sich Milchprodukte wirklich auf die Haut aus?
„Vor allem Kuhmilch wird immer weiter verteufelt – sowohl (fälschlicherweise) in Sachen Ernährung als auch hinsichtlich der Umweltauswirkung der Milchindustrie“, sagt die Ernährungsberaterin Kelly Light. Kelly betont zwar, dass Letzteres definitiv berechtigt ist; der Glaube, Milch sei „schlecht“ für uns, sei aber ein totaler Mythos. Die Beliebtheit von Milchalternativen erklärt sich die Ernährungsberaterin Pixie Turner mit „eine[r] Vielzahl panikmachender Dokumentationen in den letzten Jahren, die viele Leute von Milchprodukten abgeschreckt und falsche oder übertriebene Behauptungen aufgestellt haben.“ Hier erwähnt sie auch die zahlreichen Social-Media-Ads für Milchalternativen und die Werbung dafür durch Influencer:innen, die die Drinks „cool“ wirken lassen.
„Milchprodukte werden so oft in Zusammenhang mit Hautproblemen gestellt, obwohl es dafür kaum Beweise gibt“, meint Kelly. „Wenn es da eine Verbindung gibt, betrifft die vermutlich nur vereinzelte Personen. Und obwohl manche Leute durchaus behaupten, Milchprodukte würden bei ihnen Hautprobleme wie Akne triggern, sind das typischerweise eigene Beobachtungen, keine medizinischen Befunde.“ Kelly ergänzt, dass es so viele verschiedene Milchprodukte gibt (von ihren einzelnen Quellen mal ganz abgesehen), dass es schwierig ist, jedes Produkthinsichtlich seiner Hautwirkung zu untersuchen. In anderen Worten: Obwohl sich einige Menschen ihre schöne Haut mit dem Verzicht auf Milchprodukte erklären, gibt es dafür keine konkreten Beweise. Ist es dann also überhaupt sinnvoll, uns von Milchprodukten fernzuhalten, wie es viele schon tun?
Sind Milchalternativen „besser“ für die Haut?
Eine Expertin, die oft über den Zusammenhang zwischen Ernährung und Haut spricht, ist die Dermatologin Dr. Anjali Mahto. Gerade erst hat Dr. Mahto auf Instagram über Milchalternativen, deren Hautwirkung im Vergleich mit Milchprodukten und ihre eigenen Beobachtungen geschrieben. „Ich höre von vielen Patient:innen, dass sie ihrer Haut zuliebe auf Milchprodukte verzichten – einige von ihnen ernähren sich vegan, andere nicht“, erzählt sie und erwähnt dabei, wie kontrovers das Thema zu sein scheint. „Die Forschungsdaten können dabei so gewählt werden, dass sie eine Verbindung zwischen [Ernährung und Haut, insbesondere Akne] belegen – oder eben genau das Gegenteil“, schreibt sie. „Dabei muss ich aber erwähnen, dass es erste Indizien dafür gibt, dass Lebensmittel mit einem hohen glykämischen Index (GI) [also besonders zuckerhaltige Nahrungsmittel] einer von vielen Faktoren dafür sein könnten, dass Akne getriggert oder verschlimmert wird.“
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Dr. Mahto ergänzt, dass viele ihrer Patient:innen von Milch auf Hafermilch umsteigen. „Das ist vermutlich der häufigste Wechsel.“ Dr. Mahto (und die Millionen Haferdrink-Fans weltweit) versteht aber auch, warum: Hafermilch ist süßer und cremiger als Kuhmilch und schmeckt in Smoothies, Cappuccinos und Eiscreme genauso gut wie in herzhaften Gerichten wie Curry. Aber ist der pflanzliche Drink denn auch besser für die Haut? Hafermilch hat, wie Dr. Mahto betont, einen besonders hohen „glykämischen Index. Die darin enthaltene Maltose lässt den Blutzuckerspiegel in die Höhe schnellen – viel stärker als Kuh- oder Mandelmilch.“ Sie fährt fort: „Viele Leute streichen Milchprodukte zugunsten ihrer Haut aus ihrem Leben, ersetzen sie dann aber durch etwas, das durch seinen potentiellen höhen glykämischen Index sogar noch problematischer sein könnte.“
Aber wie wirken sich die Milchalternativen (insbesondere jene mit hohem Zuckergehalt) denn konkret auf die Haut aus? Kelly erklärt, dass unser Körper auf einen hohen Blutzuckerspiegel mit der Produktion des Hormons Insulin reagiert. Das, ergänzt Dr. Mahto, führt wiederum zu einem höheren Androgenspiegel (Androgene sind männliche Hormone), der Akne begünstigen kann.
Natürlich gibt es prinzipiell kein „gutes“ oder „schlechtes“ Lebensmittel, unterstreicht Dr. Mahto; das Verteufeln von Milchprodukten und/oder ihren Alternativen ist also nicht die Lösung auf unsere Hautprobleme. Stattdessen sollten wir unsere Ernährung als großes Ganzes betrachten. „Ein Schuss Hafermilch in deinem Kaffee ist vermutlich in Ordnung, selbst wenn du zu Akne neigst – schließlich ist Akne eine multifaktorielle Erkrankung. Sprich: Sie ist selten nur ernährungsbedingt“, erklärt Dr. Mahto. Wenn du Hafermilch oder andere zuckerhaltige Milchalternativen jedoch in großen Mengen konsumierst, empfiehlt sie, gegebenenfalls über andere Alternativen nachzudenken.
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Was sind die besten Milchalternativen für schöne Haut?
Nur, weil ein Produkt Zucker enthält, heißt das nicht automatisch, dass es schlecht für deine Ernährung oder Haut sein muss. Wenn du aber gezielt deine Haut verbessern möchtest und vermutest, dass dir dein Konsum zuckerhaltiger Milchalternativen da eventuell im Weg stehen könnte, empfiehlt Dr. Mahto ungesüßte Sojamilch oder Mandelmilch. Du liebst Kuhmilch und möchtest nur ungern darauf verzichten? Brauchst du auch gar nicht. Pixie schlägt vor, sie aber auf deinen Kaffee zu beschränken, „während du für dein Müsli oder deine Smoothies vielleicht lieber Mandel- oder Sojamilch benutzt“. Kelly mag noch andere Optionen: „Milchalternativen, die auf Soja- oder Erbsenproteinen basieren, sind dem Ernährungsprofil von Kuhmilch am ähnlichsten. Beide enthalten außerdem meist nur wenig Zucker – daher könnten das ‚bessere‘ Alternativen sein.“ Kelly empfiehlt außerdem Produkte, die zusätzliche Nährstoffe wie Calcium, Vitamin B12 oder Jod enthalten.
Zerbrich dir aber bitte nicht den Kopf über die „beste“ Milchoption, meint Pixie. „Es ist deine persönliche Entscheidung, wo du zu Kompromissen bereit bist“, sagt sie. „Wenn du beschließt, dass du ohne deine Hafermilch einfach nicht leben kannst, ist das völlig in Ordnung. Du hast schließlich noch andere Möglichkeiten, deine Akne in den Griff zu bekommen.“ Außerdem sollte nicht jede:r mit zu Akne neigender Haut zwangsläufig auf Milchprodukte verzichten. „Das kann eine ziemlich drastische Ernährungsumstellung bedeuten, die wohlüberlegt sein sollte“, fasst sie zusammen. „Dabei geht es darum, die richtige Balance zu finden und dir darüber bewusst zu sein, welche Lebensmittel dich beeinflussen könnten, ohne dich davon stressen zu lassen.“
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Ernährung ist nicht der einzige Faktor für schöne Haut
Wie Dr. Mahto auch bereits erwähnt hat, spielt in Sachen Hautgesundheit nicht nur die Ernährung eine Rolle. Kelly stimmt zu: Die Trigger für Akne und andere Hautunreinheiten beschränken sich nicht nur auf die Lebensmittel, die wir konsumieren. „Auch die Gene und Hormone mischen hier stark mit“, erklärt Kelly und ergänzt, dass Schlaf, Umweltverschmutzung und Rauchen ebenfalls das Aussehen und den Zustand der Haut beeinflussen können. Ein weiterer Faktor ist Stress, was uns spätestens seit der Pandemie aufgefallen sein sollte. „Das ist bedingt durch die Produktion des Stresshormons Cortisol“, erklärt Pixie.
Bei der Gelegenheit lässt Kelly gleich mal den Mythos auffliegen, Beauty-Nahrungsergänzungsmittel seien ein Muss für „schöne“ Haut. „Von einem ernährungswissenschaftlichen Standpunkt steht fest: Deine Haut bekommt durch eine ausgewogene, abwechslungsreiche Ernährung alles, was sie braucht – egal, was dir irreführende Werbung einreden will. Nährstoffe wie Omega-3-Fettsäuren, die Vitamine A und B, Zink und Selen können [der Haut] definitiv helfen, aber auch ausreichend über unser Essen und Trinken aufgenommen werden.“ Denn auch die Flüssigkeitsaufnahme ist natürlich wichtig, sagt Kelly.
Du leidest unter Akne oder anderen Hautproblemen und kommst mit deiner eigenen Hautpflege nicht weiter? Dann statte am besten einem Dermatologen bzw. einer Dermatologin einen Besuch ab.
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