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Wie sicher sind Online-Dermatologie-Dienste?

Foto: Rochelle Brock.
Ob du nun mit deiner Haut zufrieden bist oder dir ein bisschen Hilfe wünschst: Garantiert hast du auf TikTok oder Instagram schon mal eine Werbung oder einen Influencer:innen-Post zu irgendeinem Online-Dermatologie-Service gesehen. Dank Corona ist Skincare digitaler denn je, und es gibt immer mehr Websites und Apps, die dir versprechen, mithilfe von verschreibungspflichtigen Produkten deine Akne, Rosacea, Pigmentflecken und andere Hautprobleme in den Griff zu bekommen. 
Das Konzept ist meist dasselbe: Gib dein Hautproblem an, beantworte dann eine Handvoll Fragen zu deiner Haut, lade ein paar Selfies hoch – und kurz darauf meldet sich ein:e Dermatolog:in mit einem auf dich zugeschnittenen Behandlungsplan bei dir, dessen Produkte dir dann regelmäßig nach Hause geliefert werden. Unzählige Influencer:innen, TikToker:innen und Beauty-Fans wollen dir glaubhaft machen, dass genau ein solcher Abo-Online-Service – wie zum Beispiel FORMEL Skinihre Haut revolutioniert hätte, und die Reviews zu solchen Dienstleister:innen sind häufig beeindruckend positiv.
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Der Zuwachs dieser digitalen Skincare-Services ergibt absolut Sinn. L’Oréals „Life After Lockdown: The Skincare Trends Report“ zufolge ist die Online-Diskussion rund um Hautprobleme um 71 Prozent aktiver geworden, verglichen mit vor Corona. Zurecht: Wir hatten durch die Pandemie nicht nur mit „Maskne“ (durch Gesichtsmasken verursachte Akne) zu kämpfen, sondern auch noch mit den Auswirkungen von Stress und Angst auf unsere Haut. Während Corona hatten viele von uns nicht unbedingt Lust auf den Besuch in einer dermatologischen Praxis; durch solche Services ließen sich ähnliche oder dieselben Rezepte ganz bequem vom eigenen Sofa aus bestellen. Noch dazu ist es ohnehin vielerorts schwierig, überhaupt einen Termin in der Dermatologie zu bekommen.
Die Hautärztin Dr. Anjali Mahto überrascht es überhaupt nicht, dass viele Menschen online nach Lösungen für ihre Hautprobleme suchen. „Dermatologische Termine waren schon immer rar, aber insbesondere seit Corona – die Wartelisten sind häufig sehr lang“, meint sie. Dr. Mahto zufolge sind rezeptfreie Hautpflegeprodukte und Online-Skincare-Abos eine Art Mittelweg, die den Zugang zur Hautpflege vereinfachen. „Wenn du keinen Termin bekommst und dir keine Privatbehandlung leisten kannst, ist das eine Zwischenlösung.“ Der Dermatologe Dr. Derrick Phillips sieht das ähnlich. „Online-Dermatologie-Beratung hat definitiv eine Daseinsberechtigung“, sagt er. „Sie bietet den Leuten den leichten Zugang zu einer Expert:innenmeinung, wann immer sie eine brauchen, ohne durch die Geografie oder einen vollen Terminkalender eingeschränkt zu sein.“ Als Beauty-Redakteurin mit hartnäckiger hormoneller Akne und einer Liebe für Skincare, habe ich persönlich schon einige Online-Skincare-Services getestet (und manche geliebt). Trotz aller Vorteile gibt es aber natürlich auch hier einige Nachteile.
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Dr. Mahto meint, dass viele dieser Online-Dienste zwar qualifizierte Dermatolog:innen beschäftigen, jedoch auch Fehldiagnosen stellen können – zum Leid einiger Patient:innen in Dr. Mahtos Klinik. „Ich höre von vielen Menschen, die glauben, Akne zu haben und das auch medizinisch bestätigt bekommen, obwohl es eigentlich keine Akne ist, sondern beispielsweise Rosacea.“ Dr. Mahto zufolge ist dieser Fehler recht geläufig, wenn die Haut anhand von Fotos, nicht aber bei einer Vor-Ort-Untersuchung analysiert wird. „Die Unebenheiten der Rosacea können denen der Akne ähneln“, erklärt sie. Durch solche Fehldiagnosen werden den Patient:innen dann aber die falschen Produkte verschrieben – samt unerwünschter Nebenwirkungen. „In diesem Szenario habe ich schon Patient:innen gehabt, die hochprozentiges Tretinoin (ein besonders starkes Retinoid) verschrieben bekamen, kombiniert mit Niacinamid und Azelainsäure oder einem Antibiotikum. Diese Wirkstoffe reizen die Haut aber zusätzlich. Das kann Rosacea oder periorale Dermatitis (ein entzündlicher Ausschlag rund um den Mund) verschlimmern. Ich selbst würde keine aktiven Wirkstoffe wie diese auf zu Rosacea neigender Haut verwenden“, sagt Dr. Mahto.
An dieser Stelle sollten wir betonen, dass viele Dermatolog:innen solche Online-Hautpflege-Services nicht von vornherein als „schlecht“ abstempeln. Sie haben definitiv die Skincare-Branche revolutioniert. Trotzdem gibt es dabei einiges zu bedenken. Dr. Mahto erklärt, dass eine falsche Diagnose die Behandlung verzögern kann, wodurch sich langfristige Probleme entwickeln können. „Bei 20 Prozent aller Betroffenen von Akne entstehen Narben“, sagt sie. „Wenn du die Akne nicht schnell genug behandelst, führt die Entzündung der Akne zu Hautschäden.“ Ein weiteres Problem solcher Dienste ist, dass die Beziehung zwischen Hautproblemen und geistiger Gesundheit dabei vernachlässigt wird. Die wird in vielen Vor-Ort-Behandlungen hingegen thematisiert. „Viele Menschen leiden psychisch stark unter ihrer Haut, aber danach wird bei solchen Services nicht gefragt“, meint Dr. Mahto. „Die Leute kaufen und wenden diese Produkte an. Wenn die dann nicht so funktionieren, wie sie es sich erhoffen, fühlen sie sich dadurch vielleicht nicht gleich schlechter, aber eben auch nicht besser.“
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Dr. Mahto erzählt, dass sie schon viele Patient:innen behandelt hat, denen zuvor Produkte verschrieben worden waren, die gar nicht funktionieren konnten. Einige ihrer Patient:innen wendeten die Medikamente sehr lange an, stellten aber keinen Unterschied fest. „Weil auf die Haut aufgetragene Produkte schnell verschrieben werden können, bekommen viele Patient:innen direkt ein Rezept für etwas wie Tretinoin“, sagt sie. „Wenn sie aber beispielsweise unter zystischer Akne leiden, brauchen sie eigentlich oral eingenommene Medikamente.“
Vor nicht allzu langer Zeit meldete sich auch die Refinery29-Wellness-Redakteurin Sadhbh bei einem solchen Online-Service an, in der Hoffnung, damit ihre Akne besiegen zu können. Ihr wurden Tretinoin und Antibiotika verschrieben. Obwohl sie sich einige Monate lang strikt an die Anweisungen hielt, stellte sie keine Verbesserung fest. „Meine Haut hatte eine Überreaktion. Ich bekam noch mehr Pickel, und die Antibiotika sorgten für Verdauungsprobleme“, erzählt Sadhbh, die Probiotika einnehmen musste, um die unangenehmen Nebenwirkungen zu besänftigen. „Ich verstehe ja den Wunsch, Dermatologie durch solche Dienste leichter zugänglich zu machen. Rückblickend denke ich aber, dass das niemals für alle funktionieren könnte, weil unsere Hautprobleme so komplex sein können“, meint sie. „Ich selbst bin vom polyzystischen Ovarsyndrom (PCOS) und einer Zwangsstörung betroffen. Deswegen ist meine Akne sowohl hormonell als auch von meiner Dermatillomanie bedingt, dem zwanghaften Anfassen meiner Haut. Antibiotika hätten für mich gar nicht funktionieren können, und haben es auch früher nicht. Ich glaube aber nicht, dass eine durchschnittliche künstliche Intelligenz das in der Pflege meinerHaut berücksichtigen könnte.“ Dr. Mahto erzählt außerdem, dass einige ihrer Patient:innen von solchen Services relativ niedrig konzentrierte Produkte verschrieben bekamen. Die freiberufliche Beauty-Redakteurin Amanda* machte deswegen eine enttäuschende Erfahrung mit Tretinoin gegen ihre Falten. „Obwohl ich die Creme konsequent drei Monate lang auftrug, sah ich danach keinen Unterschied“, sagt sie. „Ich würde den Service nicht nochmal abonnieren.“
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Obwohl viele dieser dermatologischen Online-Dienste behaupten, personalisierte Hilfe anzubieten, ist Dr. Mahto der Meinung, dass Vor-Ort-Untersuchungen dem:der Patient:in deutlich mehr bringen – beispielsweise, wenn es um die persönlichen Sorgen bezüglich bestimmter Wirkstoffe geht. Ein Beispiel dafür ist Hydrochinon, das oft gegen Hyperpigmentierung verschrieben wird. Diesen Wirkstoff findet man in hoher Konzentration in hautaufhellenden Cremes und wird darin häufig mit schädlichen Substanzen wie Quecksilber gemischt; einige Leute haben bei der Anwendung daher Bedenken. „In Schwarzen und asiatischen Communitys ist Hydrochinon inzwischen recht bekannt, und viele Leute wollen es nicht verwenden, weil sie nicht wollen, dass andere denken, sie wollten damit ihre Haut aufhellen“, erklärt Dr. Mahto. Es macht aber einen Unterschied, ob du deine Haut als Ganzes aufhellen oder bestimmte Bereiche behandeln möchtest, sagt sie. „Ich hatte letztens eine Patientin, die wegen der negativen Assoziationen kein hydrochinonhaltiges Produkt verwenden wollte. Ich erklärte ihr eine halbe Stunde lang, dass es einen großen Unterschied macht, ob sie Hydrochinon in geringer Konzentration auf einem kleinen, hyperpigmentierten Hautbereich anwendet, oder sich damit die Haut als solche aufhellen möchte – bei letzterer Anwendung geschieht das oft unkontrolliert, und bei den Produkten weiß man nur selten, womit das Hydrochinon darin vermischt wurde.“ Online ist es nicht so leicht, ein offenes, gründliches Gespräch zwischen Dermatolog:in und Patient:in zu führen, meint Dr. Mahto. „Bei solchen Gesprächen spielt auch die Ethik eine große Rolle. Das kann aber schwierig werden, wenn du deinem:deiner Patient:in nicht direkt gegenübersitzt.“
In einer idealen Welt hätte jede:r ganz leichten Zugang zu einer dermatologischen Behandlung. Da die Realität aber eben eine andere ist, versteht Dr. Mahto, warum sich viele von uns die Hilfe holen, die wir eben bekommen können. Dabei ist es aber wichtig, dich gut darüber zu informieren, wer dir da eigentlich gerade etwas verschreibt. Die Expert:innen solcher Online-Services werden oft auf den jeweiligen Websites aufgelistet – inklusive ihrer Qualifikationen. Dr. Mahto empfiehlt, dir diese Informationen gründlich durchzulesen und folgende Fragen zu beantworten: „Ist er:sie qualifiziert? Ist er:sie glaubhaft? Will er:sie mir womöglich nur etwas verkaufen?“ Dr. Phillips stimmt zu. „Um das Risiko einer Fehldiagnose oder falschen Behandlung und der damit einhergehenden Konsequenzen (wie Narbenbildung, Nebenwirkungen, eine Verschlimmerung der Hautprobleme oder geistige Auswirkungen) zu reduzieren, solltest du den Arzt oder die Ärztin auch fernab des jeweiligen Services googeln. Lies dir Patient:innenbewertungen durch.“
*Name wurde von der Redaktion geändert
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