Erst Mal muss ich etwas klarstellen: Ich bin verrückt. Glaub nicht, du würdest hier einen Artikel von jemandem lesen, der bei klaren Verstandes ist. Ich bin heute 4:30 Uhr aufgewacht. Ohne Alarm, an einem ganz normalen Wochentag. In meiner Wohnung wirst du das ganze Jahr über die eine oder andere Halloween-Deko finden. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Aber davon mal abgesehen, liebe*r Leser*in, mache ich mir wirklich Sorgen. Ich bin eine Single-Frau, die freiwillig alleine lebt (aber nicht unbedingt freiwillig allein ist, Hi Boys). Und als solche quälen mich bestimmte Bedenken und ich treffe paranoia-getriebene Vorkehrungen. Wenn niemand in meiner Nähe ist, der oder die über mich urteilen könnte, kann es ganz schön verrückt werden. Oder sorge ich damit einfach nur dafür, dass alles sicher ist und heil bleibt? Lasst uns das mal erörtern.
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Bestimmt fragst du dich, was ich meine, wenn ich “paranoid“ sage. Dafür muss ich dir erst Mal erklären, warum mein Single-Dasein zu meinen Sorgen, oder sagen wir besser zu den panischen Untergangsszenarien, die ich mir täglich ausmale, beiträgt. Ich geb dir einfach mal ein Beispiel: Meine Küchenschränke sind knapp zwei Meter hoch. Sie reichen bis kurz unter die Decke. Ich kann aber noch nicht mal das erste Fach erreichen, geschweige denn das zweite, dritte oder vierte. Die meisten Menschen würden sich wahrscheinlich einfach eine Trittleiter besorgen und die Sache wäre gegessen. Ich dagegen habe eine sehr lebhafte Vorstellung davon, wie ich von der Leiter stürze und mir eine ernsthafte Gehirnerschütterung zuziehe. Und dann nimmt mein Leben ein vorzeitiges Ende. Deswegen besitze ich nur einen 30 Zentimeter hohen Fußhocker und die meisten meiner Regalfächer sind leer. Das nenne ich paranoid.
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Wer zur Hölle würde es überhaupt mitbekommen, wenn ich sterben würde?
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Aber mal im Ernst: Wer zur Hölle würde es überhaupt mitbekommen, wenn ich sterben würde? Ich meine denk mal darüber nach: Ich arbeite von zu Hause aus, habe viele verschiedene Klient*innen und muss das Haus theoretisch erst nächsten Dienstag Tagen wieder verlassen. Wenn ich in dieser Sekunde tot über meinem Laptop zusammenbrechen würde, wie lange würde es wohl dauern, bis es jemand bemerkt?
Zu lange, Leute. Viel zu lange.
Und dabei wäre es gar nicht mal das Schlimmste, dass ich tot wäre. Aber ich habe eine 13-jährige Katze, die nur Trockenfutter frisst und anfällig Nierenversagen zu erleiden, wenn sie nicht genug trinkt. Was würde mit meiner Katze passieren? Das Thema “Haustierfürsorge im Fall des Todes einer Single-Frau“ ist im echten Leben nicht so lustig, wie es dank meiner humorvollen Abwehrmechanismen wirken mag. Letztens hatte jemand aus meiner Single-Frauen-Facebookgruppe einen Unfall. Es geht ihr gut. Aber durch den Vorfall macht sie sich jetzt extreme Sorgen um die Sicherheit ihrer Haustiere, sollte ihr mal etwas Ernsthaftes zustoßen. Sie hat in der Gruppe nach Ratschlägen gefragt und ich muss sagen, uns sind ganz schön clevere Vorsichtsmaßnahmen eingefallen! Ich bin ziemlich stolz auf unseren Einfallsreichtum und dankbar für die Ideen der kreativen Etsy-Community. Aber das nimmt mir meine Ängste leider auch nicht und wenn ich darüber nachdenke, was passieren könnte, macht mich das traurig.
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Wer würde es bemerken, wenn ich sterbe? Wer würde sich um mein Haustier kümmern? Wie würde es meine Mutter überhaupt erfahren? (Mama, falls du das liest: Es geht mir gut, ich hab dich lieb und ich ruf dich morgen an). Diese Gedanken kreisen mir permanent durch den Kopf. Wenn ich eine Beziehung hätte und jemand jeden Abend zu mir (oder zu uns) nach Hause kommen würde, könnte ich mir eine 5-Meter-Leiter kaufen. Denn ich wäre mir sicher: Im schlimmsten Fall würde mich Andreas (sein Name wird nicht Andreas sein) zeitnah finden und wissen, wo das Katzenfutter steht.
Und was ist mit all den anderen Szenarien, in denen ich zwar nicht sterbe, aber mir etwas anderes Schlimmes zustößt? Irgendetwas, weswegen ich mich extrem unwohl, ängstlich oder hilflos fühlen würde? Zum Beispiel ein Feuer, eine Flut, Heuschrecken oder irgendeine andere Plage, über die meine Familie in der Pessach-Haggada liest? Vor Naturkatastrophen habe ich richtig Panik. Falls es dich interessiert: Schneestürme mag ich am liebsten, Tornados am wenigsten. Mit dem richtigen Schuhwerk kannst du auf Schnee immer noch laufen, aber Tornados kommen aus dem nichts, sind absolut unberechenbar und könnten buchstäblich dein Haus in die Luft reißen und in ein anderes Stadtviertel umsetzen. Wenn das nicht dafür sorgt, dass du zum Prepper wirst, weiß ich auch nicht.
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Wäre ich genauso verrückt, wenn ich nicht single wäre?
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Ich versuche, immer genügend Notfallwasser, unverderbliches Essen und Toilettenpapier im Haus zu haben. (Ich weiß, wenn man mal kein Klopapier zu Hause hat, geht die Welt nicht unter, aber was, wenn du genau dann einen Magen-Darm-Infekt bekommst? Oder auch einfach nur Besuch?) Im Fall der Fälle wäre mein Plan, mich so lange in der Wohnung zu verstecken, bis sich alles wieder beruhigt hat. Falls das nicht möglich ist, habe ich immer einen Rucksack bereitstehen, der ein paar Klamotten, Wechselschuhe, wichtige Dokumente, Katzenfutter (überall wo ich hingehe, geht sie auch hin) und ein Radio-Taschenlampen-Handyaufladegerät mit Drehkurbel (jupp, sowas gibt’s wirklich – habe ich bei Amazon gefunden) enthält.
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Ich erzähle dir nicht von meinem Wahnsinn, um Beifall von dir zu ernten oder damit du dafür sorgst, dass ich eingewiesen werde. Ich erzähle es, um einer Frage auf den Grund zu gehen und herauszufinden: Wäre ich genauso verrückt, wenn ich nicht single wäre? Würde mich die Anwesenheit eines anderen Menschen beruhigen und mir dabei helfen, mit Krisen, Naturkatastrophen oder was auch immer besser umzugehen? Würde durch diese Person meine Stimme der Vernunft lauter werden und mich davon abhalten, 200 Euro für eine Notfallausrüstung auszugeben, die seit ein paar Monaten in meinem Warenkorb liegt? Warum habe ich das Gefühl, jemanden um mich haben zu müssen, um mich sicher zu fühlen? Und überkompensiere ich, weil es diese Person in meinem Leben nicht gibt, in dem ich versuche, auf alles vorbereitet zu sein?
Die Antwort auf diese Fragen liegt glaube ich auf der Hand: Ja! Vielleicht hilft es mir ja allein schon, das alles endlich mal offen auszusprechen. Vielleicht ist das der erste Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht fühle ich mich dadurch irgendwann wieder sicherer in meiner Haut. Emotional, finanziell und gesellschaftlich gesehen bin ich ziemlich unabhängig, aber physisch gesehen… Was den Bereich angeht, könnte ich regelmäßig durchdrehen.
Falls du dir jetzt Sorgen um mich machst: Brauchst du nicht. Ich persönlich finde es nicht traurig, dass ich mir diese Gedanken und Sorgen mache. So ist das nun mal einfach, wenn du single bist. Ansonsten bin ich schon lange genug allein, um den gesellschaftlichen Druck, einen Partner finden zu müssen, ausblenden zu können. Trotzdem fühle ich mich dazu gezwungen, jemanden um mich haben zu müssen – damit jemand hört, wenn ich in der Dusche ausrutsche.
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Ich frage mich, warum ich weniger Angst habe, wenn jemand bei mir ist, denn dadurch sinkt ja nicht die Wahrscheinlichkeit, dass etwas Schlimmes passieren könnte… Vielleicht liegt es daran, dass ich auch nur ein Mensch bin. Und die meisten Menschen brauchen einfach Gesellschaft – sei es nun ein*e Parnter*in oder ein*e WG-Mitbewohner*in –, um sich sicherer zu fühlen. Und das ist auch vollkommen okay.
Ich denke, bis dieser “jemand“ in mein Leben tritt, werde ich versuchen, herauszufinden, was genau mir eigentlich Sorgen bereitet. Und dann muss ich mich entweder tieferliegenden Ängsten stellen (es ist natürlich keine Schande, eine Therapie zu machen) oder sie mithilfe von Amazon Prime bekämpfen.
In meinem Kopf gibt es immer noch eine besonnene, vernünftige Stimme und die weiß: Selbst, wenn ich in naher Zukunft keinen Partner finde, wird schon alles gutgehen. Und wenn ich doch jemanden kennenlerne und mich dadurch sicherer fühle, muss ich mich auch nicht schuldig dafür fühlen. Ich bin und bleibe trotzdem unabhängig und ein Badass.
Aber im Ernst: Wenn mir irgendetwas zustößt, fütter bitte meine Katze. Danke.
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