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Vor Corona war ich ein glücklicher Single, jetzt sehne ich mich nach einer Beziehung

Mir geht es wirklich gut. Ich habe ein schönes Zuhause, indem ich während der Zeit der Selbst-Isolation bleiben kann. Ich habe Zugang zu allen lebensnotwendigen Dingen und die Miete für Mai habe ich auch schon zusammen. Mir fällt Social Distancing also eigentlich recht leicht. Anders sieht es für die Ärzt*innen und Pfleger*innen aus. Für sie ist ein sicherer Abstand zu anderen nun einmal keine Option. Diese Tatsache ist mir natürlich bewusst. Deshalb weiß ich auch, dass meine folgenden Gedanken vom einem Ort des Privilegs und der Sicherheit rühren – nämlich von meinem sauberen Küchentisch um fünf Uhr morgens. Und bevor du denkst, du hast dich verlesen oder ich mich verschrieben: Ja, ich schreibe um fünf Uhr morgens, denn ich bin eine typische Frühaufsteherin. Ich beginne meinen Tag so früh es geht, damit ich genug Zeit habe, zu lesen, zu backen und dann nachmittags meinen Podcast „A Single Serving Podcast“ aufzunehmen. Aber jetzt geht es nicht um meinen Tagesablauf, sondern um meine Gedanken während dieser sehr außergewöhnlichen Zeit, in der wir gerade leben. Und die beschäftigen sich vor allem mit meinem Single-Dasein.
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Ich spreche offen darüber, wie ich mich als Langzeit-Single fühle und habe schon oft die Meinung vertreten, dass single sein nichts ist, wofür man sich schämen sollte – und es ist absolut keine Schande, als Frau in den Dreißigern nicht in einer Beziehung zu sein. Ich finde es wichtig, dass wir alleinstehende Frauen als das sehen, was sie sind: vollkommene und glückliche Wesen. In unserer Gesellschaft gibt es diese durch und durch schwachsinnige Vorstellung, dass die Liebe zum Single-Leben bedeutet, man möchte gar nicht in einer Beziehung sein. Für mich stimmt das jedenfalls so nicht. Ich freue mich darauf, eines Tages einen wunderbaren Partner an meiner Seite zu haben. In der Zwischenzeit will ich aber einfach nur nicht unglücklich sein. Ich weigere mich, mich mit weniger als wunderbar zufrieden zu geben, denn ich habe keine Angst vor der Alternative. So dachte ich zumindest bis jetzt. Aber die Welt kämpft gerade gegen das Coronavirus und ich hätte jetzt so gern einen verdammten Ehemann, der diese Zeit mit mir durchsteht.
Als ich das letzte Mal zum Supermarkt gegangen bin, stand eine lange Schlange vor dem Eingang. Laut meinem Kontoauszug war das am 12. März. Seitdem war ich dort nicht mehr einkaufen. Ich habe einfach Angst davor, mit so vielen Menschen in der Schlange zu warten. Ich würde nicht sagen, dass ich nach diesem Einkauf eine Panikattacke hatte (das passierte mir erst in dem anderen Supermarkt, zu dem ich jetzt gehe und der dreimal so teuer ist, als der Markt bei mir um die Ecke). Ich hatte eher eine Art Depressionsattacke. Kann man sowas kriegen? Ist das denn überhaupt ein anerkannter Zustand? Ich glaube, in diesen Zeiten gibt es sowas.
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Die Welt kämpft gerade gegen das Coronavirus und ich hätte jetzt so gern einen verdammten Ehemann, der diese Zeit mit mir durchsteht.

Während meiner Depressionsattacke hatte ich das Gefühl, mein Herz ist in ein sehr tiefes Loch gefallen – und ich kann es ohne Hilfe einfach nicht mehr herausholen. Ich bin vollkommen alleine zuhause und auch allgemein im Leben. Für mich würde also keine Hilfe kommen… So emotional habe ich mich ehrlich gesagt schon lange nicht mehr gefühlt. Ich war wohl in der einsamsten, ängstlichsten und gesellschaftsbedürftigsten Phase meines ganzen Erwachsenenlebens angekommen.
Vorher hatte mein Wunsch nach einer Beziehung eher egoistische Gründe. Ich wollte mich wertvoll fühlen oder mich weniger schämen. Und ich dachte, ein Freund könnte das ändern. Aber dieses Bedürfnis? Das war eine instinktive und angsterfüllte Einsamkeit, die eine Umarmung und einen Apokalypsepartner brauchte – leider war beides in diesem Moment nicht vorhanden. Ich wusste nicht, wie lange ich allein sein würde und das machte mir zum ersten Mal seit Langem wieder Sorgen.
Zu meiner Depression kam noch eine unglaublich unangenehme Tatsache hinzu: Eigentlich bin ich ein vollkommen glücklicher Single. Was heißt es also, dass ich plötzlich genau darüber so unglücklich bin? Muss ich mich also nicht nur mit einer globalen Pandemie und einer zusammenbrechenden Wirtschaft auseinandersetzen, sondern gleichzeitig auch noch mit einer Identitätskrise?! Verdammt noch mal, es gibt wirklich nichts, was dieses virale Miststück nicht an sich gekrallt hat, oder? Nein, aber ernsthaft: Was stimmt nicht mit mir? Hat meine emotionale Codierung einen Fehler? Kann man sich das Herz verstauchen? Das Einzige, woran ich jetzt denken kann, ist: ICH WILL IN DEN ARM GENOMMEN WERDEN!
Nur leider habe ich niemanden zuhause, der mich umarmen kann. Shit.
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Und zum Glück bin ich gesund. Kannst du dir vorstellen, wie es mir gehen würde, wenn ich mich mit Symptomen des verdammten Virus herumschlagen müsste? Gestern schickte mir meine Krankenkasse eine E-Mail, in der die verschiedenen Stadien und Symptome von COVID-19 sowie eine Empfehlung, wann man ins Krankenhaus gehen sollte, aufgelistet wurden. Ein Symptom, das darauf hindeutet, man solle ins Krankenhaus, lautete: „Plötzliche Verwirrtheit oder jemand ist nicht in der Lage, dich aufzuwecken“. Wie bitte? Wer ist mein jemand? Wie zum Teufel soll ich wissen, ob ich Probleme habe, aufzuwachen? Erstens kann meine Katze nicht gerade effektiv mit dem Notruf kommunizieren, obwohl sie mit dem Postboten ganz gut mithalten kann, und zweitens ist es ihr ziemlich scheißegal, ob ich aufwache. Heißt das, bestimmte Symptome kann man ohne eine*n Partner*in nicht deuten?
Früher war ich ein Kopfmensch. Ich ließ nur meine Logik die Entscheidungen treffen. Doch nachdem ich die letzten Jahre damit verbracht habe, das Human Design System zu erkunden, mein Geburtshoroskop zu analysieren und aus meinen beschissenen früheren Lebenswegen schlau zu werden, habe ich gelernt, auf mein Bauchgefühl zu hören. Seitdem habe ich eigentlich das Gefühl, zum ersten Mal den Durchblick zu haben. Und die Dinge laufen ziemlich gut, ehrlich gesagt. Aber COVID-19 ist anders. Während einer globalen Pandemie ist mein Bauchgefühl ein Nichtsnutz und deshalb habe ich wieder dieses tiefe Bedürfnis, einen Partner an meiner Seite zu haben. Die einzige Stimme, die mit dieser Situation umgehen kann, ist mein Verstand. Mein Kopf muss die Führung übernehmen, damit mein Herz wieder auf die richtige Bahn gebracht wird.
Ich weiß, dass wir, wenn wir alle zu Hause bleiben, uns die Hände waschen und ruhig bleiben, dieses Virus bekämpfen werden und das Leben irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wieder normal sein wird. Ich hoffe, wir bleiben alle verdammt nochmal zuhause, damit nicht noch mehr Menschen Familienmitglieder durch dieses Albtraumvirus verlieren. Ich hoffe, dass es meinen und auch deinen Freund*innen im Gesundheitswesen gut geht. Und ich weiß, es ist gerade schwer, allein zu sein. Und es ist besonders schwer, sich einzugestehen, dass man nicht allein sein will.
Von nun an werden wir alle ein wenig anders sein. Wir werden die Dinge aus einer anderen Perspektive sehen und Situationen mit neuem Wissen und neuen Erfahrungen bewerten. Ich lerne Dinge über mich, die mir vorher nicht bewusst waren oder von denen ich dachte, sie treffen auf mich nicht zu. Ich hätte nie gedacht, dass ich einen Partner brauche. Und ich weiß nicht, warum ich überrascht bin. Es passieren jeden Tag doch seltsame Dinge.

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