Man lebt sein Leben nicht, sondern überlebt es bloß, wenn man außerhalb des Feuers steht. – Garth Brooks, 1993
Ich habe einen großen Teil meines Lebens als Single damit verbracht, auf „irgendwann“ zu warten. Ich habe Dating-Apps ausprobiert, Kurse belegt, Einladungen zu unterschiedlichen Veranstaltungen – von Partys bis hin zu Podiumsdiskussionen – angenommen, Räume nach Anzeichen von alleinstehendem, männlichem Leben abgesucht – das alles auf der Suche nach einer zukünftigen Beziehung, nach dem „eines Tages“. Nach zehn Jahren habe ich ganz ehrlich genug von „irgendwann“, denn dieser Moment scheint einfach nicht zu kommen.
Was mich stört, ist nicht wirklich das, was ich während des Wartens auf dieses mysteriöse „eines Tages“ getan habe, sondern vielmehr die Dinge, die ich währenddessen nicht getan habe. „Irgendwann“ lässt sich so viel Zeit, dass in der Zwischenzeit alles stillzustehen scheint. Als Single fühlt es sich an, als ob das Leben irgendwie noch nicht richtig begonnen hat. Ich habe mich im Laufe der Jahre von so vielen Dingen abgehalten und so viel versäumt, weil ich dachte, diese Erfahrungen wären für den Moment gedacht, in dem ich endlich meine bessere Hälfte hätte. Das Beste, was das Leben so zu bieten hat, wollte ich mit meinem Partner teilen. Ich habe zwar nie eine To-do-Liste à la „Wenn ich verheiratet bin“ zusammengestellt, aber es gibt einfach bestimmte Dinge, die man erst tut, wenn man verheiratet ist, und eben nicht vorher. Ein Beispiel? Trägst du jemals einen Ring an deinem linken Ringfinger? Ich habe das bisher nicht getan – als ob ein trendiger Ring von H&M, der aus welchem Grund auch immer jedes Mal nur um meinen Ringfinger herum passt, die Beziehungsgötter irgendwie verwirren würde und sie fälschlicherweise glauben ließe, ich sei vergeben.
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So viele Dinge habe ich mental aufgeschoben, weil ich dachte, dass ich sie mit jemand anderem erleben sollte. Aus irgendeinem seltsamen Grund war ich davon überzeugt, dass ich allein nicht genug sei, um diese Erfahrungen zu genießen. Einerseits komme ich mir dumm vor, wenn ich das laut ausspreche. Auf der anderen Seite bin ich aber stolz darauf, dass ich letztendlich doch eingesehen habe, dass diese Denkweise völliger Blödsinn war. Ich muss nicht auf jemand anderen oder einen bestimmten Lebensstatus warten, um etwas zu tun. Dieses Aha-Erlebnis ist schwer nachzuvollziehen, wenn du nie weit über das Alter hinaus Single warst, von dem du früher annahmst, dann schon längst vergeben zu sein. So lange habe ich mich mit einem Leben, das bloß „gut genug für den Moment“ war, zufrieden gegeben und Dinge an mir vorbeiziehen lassen, weil dieses „eines Tages“ durch gesellschaftlichen Druck so fest in meinem Kopf verankert war und mein „irgendwann“ ja angeblich gleich um die Ecke auf mich warten würde. Vielleicht war ich etwas schwer von Begriff, aber früher oder später ging mir ein Licht auf. Jetzt bin ich endlich da angekommen, wo ich hingehöre. Wo ich jetzt aber tatsächlich noch hinmuss, ist Italien.
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Ich habe die Nase voll davon, mich mehr mit „eines Tages“ zu beschäftigen, als im verdammten Hier und Jetzt zu leben.
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Ich war noch nie in Italien. Es gibt aber keinen andern Ort, wohin ich lieber fliegen würde. Mein Lieblingswein und die Pasta, die ich so liebe (eigentlich alle Nudelgerichte), sind von dort. Allgemein stehe ich auf antiken Scheiß, und davon haben sie in Italien ja bekanntlich jede Menge. Ich reise immer alleine. Das ist das, was ich ohne Frage am Singlesein am meisten schätze. Generell ist Reisen eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Es ist nicht so, dass ich nicht ohne Begleitung nach Italien fliegen würde – es ist nur so, dass ich mir einen Trip nach Italien speziell für die Zeit aufgespart habe, in der ich jemanden an meiner Seite hätte. Jahrelang dachte ich, dass ich dieses Land mit meinem zukünftigen Partner sehen wollte und eine Reise nur so Sinn machen würde. Aber warum eigentlich?
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Es ist nicht leicht, all die „Irgendwann-Pläne“, die ich in meinem Kopf hatte, über Bord zu werfen. Immerhin sind sie schon seit langer Zeit ein Teil von mir und ich habe fix mit ihnen gerechnet. Diese Ideen loszulassen, war – zumindest für mich – eine große Herausforderung, und manchmal ist es das immer noch. Deshalb ist es meiner Erfahrung nach am besten, klein anzufangen.
Der einfachste Weg, mich daran zu erinnern, dass ich aufhören muss, Dinge auf „eines Tages“ zu verlegen, besteht für mich ganz ehrlich darin, mir selbst Zeug zu kaufen. Ich genieße es, mir Dinge anzuschaffen, die normalerweise auf Hochzeitslisten zu finden sind.
Nenn es Shopping-Therapie, wenn du willst, aber es hilft. Ich habe mit einer gut ausgestatteten Küche angefangen. Verheiratete Leute haben fabelhafte Küchen. Ist dir das schon mal aufgefallen? Ein Teil davon hat natürlich mit ihrem gemeinsamen Einkommen zu tun und der Tatsache, dass sie vielleicht eine gute Beute gemacht haben. Ich denke nicht, dass ich mir Dinge nicht gönnen sollte, die mir Freude bereiten, nur weil ich eines Tages heiraten werde, mir jemand vielleicht den gleichen Gegenstand schenken würde und ich dann zwei davon hätte. Ich denke, dass mein heutiges Glück wichtiger als eine Liste mit zukünftigen Objekten ist, die ich wahrscheinlich ohnehin zurückschicken oder umtauschen müsste. Meine jüngste Anschaffung ist eine französische Cocotte, ein gusseisernes Back- und Kochgefäß. Sie war nicht billig oder ein Spontankauf, aber sie gehört mir und ist wunderschön.
Ich musste mich auch mit dem Gedanken anfreunden, dass meine Solo-Wohnung keine vorübergehende Unterkunft ist. Sie ist nicht mehr der Ort, an dem ich lebe, „bis ich jemanden kennenlerne“. Jetzt ist sie einfach der Ort, an dem ich lebe. Und ich will stolz auf mein Apartment sein können. Dank meiner neuen Einstellung kann ich nun auf eine schöne Couch hinsparen. Zudem muss mir keine Sorgen machen, dass sie zu feminin für einen Mann ist, mit dem ich „irgendwann“ zusammenziehen werde. Ich will mich umsehen und zufrieden damit sein können, wo ich wohne. Ich habe die Nase voll davon, mich mehr mit „eines Tages“ zu beschäftigen, als im verdammten Hier und Jetzt zu leben.
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Gegenstände für den Haushalt zu kaufen, mag sich möglicherweise unbedeutend anhören. Für mich ist es aber ein großes Zeichen dafür, dass ich keinen Bock mehr darauf habe, Teile meines Lebens in „verheiratet“ und „noch nicht verheiratet“ aufzuteilen. Diese neue Denkweise bereitet mir zunehmend Freude. Jetzt bin ich nur noch einen Schritt von Handtüchern mit meinem Monogramm entfernt – kein Witz.
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Das bedeutet nicht, dass ich die Hoffnung aufgegeben habe, je jemanden kennenzulernen. Was es bedeutet, ist, dass ich die Zeit, bevor das passiert, genauso genießen werde wie die Zeit danach.
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Ich glaube, dass ich früher Angst hatte, meine Befürchtungen könnten Wirklichkeit werden, wenn ich mein Single-Dasein als dauerhaft hinnehmen würde. Es ist aber vollkommen in Ordnung, dein Leben als Single in vollen Zügen zu genießen und im Moment zu leben – voller Beständigkeit, Positivität und wirklich schöner Töpfe. Das bedeutet nicht, dass ich die Hoffnung aufgegeben habe, je jemanden kennenzulernen. Was es bedeutet, ist, dass ich die Zeit, bevor das passiert, genauso genießen werde wie die Zeit danach.
Es war kein Kinderspiel, mir einzugestehen, dass ich in meinem eigenen Single-Dasein festgesteckt hatte. Es ist schwer, sich von Gedanken und Ideen zu befreien, die man schon immer hatte. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, ein Leben anzustreben, das mehr als „gut genug für den Moment“ ist. Mein Single-Leben heute ist genauso wertvoll und würdig wie das, das ich eines Tages mit meinem Partner haben werde – und das ist die Wahrheit. Diese Erkenntnis darf nicht in Vergessenheit geraten. Jeden Tag versuche ich dieser Einstellung entsprechend zu leben. Tu, was du willst. Leb voll und ganz. Heb nichts für eines Tages auf. Fahr nach Italien.
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