Ich schreibe nicht über Sex. Erstens, weil es da draußen so viele grandiose Autor*innen gibt, die das viel besser machen, als ich es jemals könnte (Gigi Engel, Maria Del Russo, Bobby Box). Und zweitens, weil das verdammt noch mal niemanden was angeht. Ich bin eine Internetperson und kann selbst entscheiden, was man über mich und mein Leben weiß und was nicht. Und beim Thema Sex ziehe ich eben die Grenze. Falls du gerade noch mal hoch zur Headline scrollst und denkst: Hä, aber ich dachte genau darum geht es in diesem Artikel?!, kann ich nur sagen, ich bin mir gar nicht sicher, ob es bei dem, was ich jetzt schreibe überhaupt um Sex geht. Vielleicht eher um Liebe. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich will keinen Sex mehr haben, bis ich jemanden liebe und von ihm geliebt werde. Ab sofort läuft nur noch etwas, wenn ich Gefühle habe.
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Wenn ich sage „ab sofort“ klingt das vielleicht so, als hätte ich die Entscheidung ganz nebenbei heute Morgen beim Haare föhnen getroffen. Von jetzt auf gleich. Dabei denke ich schon eine ganze Weile darüber nach und hatte demzufolge auch schon länger keinen Sex mehr. Wie lange? Das ist privat. Abgesehen davon sollten wir wirklich aufhören, darüber Statistiken zu führen. Mal im Ernst: Das Stigma einer “Trockenperiode“ ist widerlich und missachtet gleichzeitig auch noch die Kraft von Vibratoren – und ich kann dir sagen, diese Dinger verdienen deinen Respekt.
Ich habe die Entscheidung getroffen, nachdem ich das letzte Mal langweiligen, gefühllosen, bitte-komm-endlich-damit-ich-mir-ein-Uber-rufen-und-nach-Hause-fahren-kann-Sex hatte. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, das war das erste Mal, dass das passierte. Aber wir sind hier alle erwachsen. Es war definitiv nicht das erste Mal und auch nicht das einzige. Die Anzahl der Personen, mit der ich Sex hatte ist privat und davon abgesehen sowas von irrelevant, aber was ich dir sagen kann ist, ich könnte locker einen Vertrauensfall (du weißt schon, diese Übung bei der man sich mit geschlossenen Augen in die Arme von Menschen fallen lässt?) mit all den Männern machen, mit denen ich während meines Single-Daseins emotionslosen Sex hatte – wenn ich diesen Männern auch nur ein bisschen vertrauen würde.
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Ich will nicht länger mit Männern Sex haben, die noch nicht mal wissen, wann ich Geburtstag habe, wie ich meinen Kaffee trinke und auf welcher Bettseite ich schlafe.
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Das war das letzte Mal. Von meinen braun gefärbten Haaren bis zu meinen pedikürten Zehen wusste jede Zelle in mir auf einmal: Ich will erst wieder Sex haben, wenn ich etwas fühle. Und zwar nicht nur ein bisschen. Nicht nur ein paar Schmetterlinge im Bauch oder im Schritt. Wahrscheinlich wusste ich das schon viel länger aber an diesem Tag gab ich es zum ersten Mal vor mir selbst zu. Ich wusste, ich kann keinen Sex mehr haben, wenn ich die Person nicht liebe.
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Um das klarzustellen: Hab so viel bedeutungslosen Sex wie du willst, wenn dir das Spaß macht! Einvernehmlicher Gelegenheitssex kann fantastisch sein und ich selbst habe ihn (sehr) lange sehr genossen. Ich hatte Jahre, in denen ich mich sexuell ausgetobt habe und grandiosen Sex ohne Gefühle hatte. Und ich bereue nichts! Aber irgendwann fand ein Richtungswechsel in meinem Kopf statt und als ich auf der anderen Seite angekommen war, wurde mir klar: Ich will nicht länger mit Männern Sex haben, die noch nicht mal wissen, wann ich Geburtstag habe, wie ich meinen Kaffee trinke und auf welcher Bettseite ich schlafe. Aber noch Mal: Das ist meine persönliche Einstellung. Bei dir kann das ganz anders sein und ich bin die Letzte, die dich für irgendetwas be- oder verurteilen würde.
Ich habe es jahrelang gemacht, weil ich in einer modernen Datingwelt lebe, in der du durch’s Swipen Leute kennenlernst und Sex der Ausgangspunkt einer Beziehung ist. Ich dachte, ich müsste aufhören, so prüde zu sein und bei diesem Spiel mitspielen, denn sonst bleibe ich für immer single. Darum geht es schließlich bei Tinder, oder nicht? Wie konnte ich nur glauben, dass ich so jemanden kennenlernen könnte, mit dem ich etwas Ernsthaftes aufbauen kann? An einem Ort, an dem du entweder von Männern ignoriert oder um 3 Uhr nachts nach einem Blowjob gefragt wirst. Das ist die Welt, in der wir leben, daten, ficken. Zu glauben, ich könnte mit jemanden eine emotionale Bindung aufbauen, bevor ich ihn in mein Schlafzimmer lasse, war einfach naiv. Ich musste mich einfach damit abfinden, wie das heutzutage so läuft und den Datingzirkus mitmachen, denn sonst bleibe ich mein ganzes Leben lang single. Das war die Botschaft, die ich immer wieder erhielt: Ändere dich und was du willst oder du bist für immer allein.
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Irgendwann stellte ich fest, ich bin lieber für immer allein, als noch einen Mann zu erlauben, mich nackt zu sehen und mich anzufassen, der vorher schon weiß, er wird sich danach nie wieder bei mir melden. Er wird aber trotzdem alle meine Instagram-Storys anschauen und mir in sechs Monaten schreiben, weil er will, dass ich Freitagnacht im strömenden Regen zu ihm gefahren komme. Darauf hatte ich echt keinen Bock mehr.
Ich muss erst Liebe spüren. Vielleicht war das schon immer so und ich habe es ignoriert. Weil Sex Spaß macht und Aufmerksamkeit zu bekommen, macht auch Spaß. Und wenn ich schon keine Liebe haben kann, dann zumindest Spaß. Aber warum dachte ich, ich könnte keine Liebe haben? Warum habe ich keine größeren Anforderungen an das Leben gestellt – und an mich? Warum habe ich mich dafür geschämt, nicht nur Sex, sondern auch Liebe zu wollen? Heute mache ich das nicht mehr und bin sehr stolz darauf. Ich leugne nicht mehr, was ich brauche und schlafe nicht mit Männern, bei denen ich mir vorher erst einreden muss, dass ich sie mag – nur, weil es besser als eine Trockenperiode ist. Denn das ist es nicht. Für mich zählt Sex ohne Liebe nicht.
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Es fühlt sich großartig an, mir selbst zu erlauben, laut zu sagen, dass ich mich nicht weniger zufriedengebe.
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Meine Sexualität ist Liebe. Meine Sexualität muss fühlen, dass ein Mann mich will und nicht nur Sex. Das habe ich länger bestritten und mich dafür geschämt, als es das Internet wissen muss.
Es fühlt sich großartig an, mir selbst zu erlauben, laut zu sagen, dass ich mich nicht weniger zufriedengebe. Mehr vom Leben zu wollen und vom Sex, als ich je den Mut hatte zuzugeben. Ich habe keine Angst davor, weniger oder gar keinen Sex zu haben, nur, weil ich mich jetzt traue, zu mir zu stehen. Im Gegenteil. Ich freue mich jetzt schon auf die Art von Sex, zu der das alles führen wird. Wenn ich vor etwas Angst habe, dann davor, dass meine Wahrheit, mein Selbstwert und meine Sexualität nie etwas wären, worauf ich stolz bin. Aber ich bin stolz auf sie. Ich lebe jetzt ein Leben, dass das unterstützt, was ich will. Ich wüsste nicht, warum ich mich dafür schämen sollte, eine Beziehung mit jemandem aufbauen zu wollen, bevor ich mit ihm Sex habe. Und ja, so wie ich früher gelebt habe, hatte ich mehr Sex. Aber ich habe herausgefunden, dass mein neues Leben sich auch fucking fantastisch anfühlt.
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